Déjà-lu? Bücher


Titel
Die zwei Päpste
Autor
Anthony McCarten
Genre
Erschienen
1. Oktober 2019
Verlag
Diogenes
Seiten
400
Preis
24,00 €
ISBN
978-3257070507
SchönBuchHandlung

Es kann nur einen Papst geben

Kardinal Müller, „Die Tagespost“ vom 21.01.2020

Es gibt Ereignisse im Weltenlauf, die so einschneidend sind, dass später immer gerne die Frage gestellt wird: „Wo warst Du, als (…) passierte?“. Der 11.02.2013 hat gute Chancen, als theologisches Erdbeben in die Annalen nicht nur der Geschichte der römisch-katholischen Kirche einzugehen. Mit einem vom Stadtkreis Rom (urbi) ausgehenden und sich rasch über den weiten Erdkreis (orbi) ausbreitenden Paukenschlag schreckte die katholische Kirche ihre Gläubigen auf: Papst Benedikt XVI trat von seinem Amt zurück, um als Joseph Ratzinger den Rest seines Lebens betend, nachdenkend und in tiefem Schweigen hinter vatikanischen Klostermauern zu verbringen – als „Papa emeritus“. Diesen Bruch der Tradition – das Papstamt ist eines auf Lebenszeit – hatte es zuletzt mit Coelestin V 1294 gegeben. Und nun beschreitet ausgerechnet der unbeugsame Traditionalist Ratzinger diesen Weg. Und das – nebenbei bemerkt – an einem Rosenmontag, dem höchsten (weltlichen) Feiertag der rheinischen Katholiken! Aber wie heißt es in Köln so schön: „Et bliev nix wie et wor“ (es bleibt nichts wie es war), „et kütt wie et kütt“ (es kommt wie es kommt) und „jede Jeck is anders“ (und jeder Jeck ist anders).

Die Aufregung über die neue Situation war groß, die Diskussionen so zahlreich wie Luthers Thesen 1517 und die Meinungen darüber weit auseinandergehend. In der Konsequenz gibt es seit dem 13.03.2013 also zwei Päpste: Ein amtierendes Oberhaupt der katholischen Kirche: Papst Franziskus (Jorge Mario Bergoglio) und einen Papst in Rente. Aber auch sechs Jahre nach der alles verändernden Entscheidung birgt diese Konstellation Konfliktpotenzial und gibt gelegentlich Anlass zu Meldungen in Wort und Schrift. So verwundert es nicht, dass neben einer theologischen, intellektuell-sachlich geführten Auseinandersetzung nun auch eine eher literarische Annäherung an das Thema auf dem Buchmarkt erschienen ist: „Die zwei Päpste“ des neuseeländischen Autors Anthony McCarten wird zwar vom Diogenes Verlag als Sachbuch vermarktet, aber die Tatsache, dass der Autor gerade eine Oscar-Nominierung in der Kategorie „bestes Drehbuch“ für die Verfilmung des Stoffes erhalten hat und Weihnachten bereits eine Netflix-Filmproduktion ausgestrahlt worden ist, legt doch eine gewisse Affinität zum Romanhaften nahe.

McCarten beginnt seinen Roman mit der unerhörten Begebenheit des Rücktritts eines Papstes von seinem Amt als Oberhaupt der katholischen Kirche. Diese Entscheidung erscheint ihm äußerst frappierend für einen Traditionalisten wie Benedikt XVI, sodass sich unweigerlich die Frage aufdrängt, wie es dazu kommen konnte und welche Konsequenzen dieser Schritt für die gesamte Institution Kirche hat. Er lässt zunächst die Wahl des deutschen Kardinals Ratzinger zum Papst Revue passieren und bringt den Argentinier Bergoglio als seinen Gegenspieler schon in Stellung, der später als dessen Nachfolger gewählt werden wird. Um die Charaktere und ihre Verhaltensweisen erklärbar zu machen, werden dem Leser zwei Männer präsentiert, die völlig unterschiedlichen Lebenswelten und Sozialisierungen entstammen und dementsprechend leben und handeln. Doch überraschenderweise gibt es auch Parallelen: Beide durchlebten in ihrer Vergangenheit dunkle Zeiten und beide haben um diesen Teil der Geschichte eine Mauer des Schweigens gezogen. McCarten glaubt nun, aus diesen Vergangenheiten Rückschlüsse auf das jeweilige aktuelle Verhalten bzw. Handeln als Papst ziehen zu können. Darüberhinaus wirft er einen durchaus interessanten Blick hinter die Palastmauern des Vatikans, weiht uns ein in die Mysterien eines Konklaves und lässt uns teilhaben an vermuteten taktischen Erwägungen und Intrigen. Das alles liest sich flüssig und schlüssig.

Obwohl der Autor scheinbar große Mühe darauf verwendet hat, harte biografische Fakten zusammenzutragen, um eine historisch belastbare Geschichte daraus zu stricken, werden die einzelnen Mosaiksteine doch nur lässig miteinander verwoben. Es bleiben zuviele „vielleicht“, möglicherweise“, „denkbar wäre“, „es könnte sein, dass…“ übrig, und die mitunter flapsige Sprache trägt nicht wenig dazu bei, dieses Werk mehr als Fiktion, denn als Dokumentation zu begreifen. Wer sich in der Vergangenheit schon mit den beiden Theologen und ihren wissenschaftlichen Schriften beschäftigt hat, erfährt von McCarten nichts Neues. Er geht mit großen Schritten durch ihre Biografien, fördert durchaus interessante Ereignisse und Verläufe zutage, bohrt aber nur punktuell in die Tiefe. Es gelingt ihm zwar, ein differenziertes Bild zu zeichnen, aber hier und da fehlt ein wenig die Farbe, bleibt es schwarz-weiß. Das Interessante an seinem Roman ist eindeutig das Herausarbeiten des Spannungsverhältnisses dieser beiden in Herkunft und Haltung zu den Lehren ihrer Kirchen scheinbar diametral entgegengesetzten Protagonisten zueinander und das Aufzeigen ihres gemeinsamen Dilemmas: Heutigen Katholiken Orientierung zu geben, die in einer Zeit großer Freiheit bei gleichzeitiger Gebundenheit an grundsätzliche Lehren leben (müssen).

Dieses Buch erzählt die Geschichte zweier Päpste, die beide eine ungeheure und unveräußerliche Autorität besitzen: Ein seltsames Paar, dessen Schicksale zusammentrafen und die sich gegenseitig beeinflussten.

Anthony McCarten: Die zwei Päpste, S. 11

Eine gute Unterhaltung zur Entspannung – nicht mehr und nicht weniger.

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