Déjà-lu?


Sach- und Lachgeschichten

Notiz / 12. Dezember 2019

Keine Lust auf verzwickte Familiengeschichten? Nur mäßiges Interesse an hartem Faktenwissen? Zum Glück muss niemand auf Lesestoff verzichten, denn es gibt auch etwas dazwischen. Oder anders ausgedrückt: Von allem etwas in einem Buch.

Volker Weidermann lässt in seinem Roman „Das Duell“ die Dauerfehde zwischen dem Autor Günter Grass und seinem schärfsten Kritiker Marcel Reich-Ranicki wieder aufleben. Die erste Hälfte des Buches erzählt in einer Art Doppelbiografie in abwechselnden Kapiteln die jeweilige Kindheit und Jugendzeit bis zum Zeitpunkt des ersten Aufeinandertreffens der beiden im Erwachsenenalter. Die komprimierte Darstellung ist durchaus interessant, wenn man die ausführlichen Biografien oder Autobiografien nicht kennt. Danach geht es Schlag auf Schlag: Der Autor schreibt, der Kritiker kritisiert. Freunde werden die beiden im Leben nicht, sind sich vielmehr in herzlicher Feindschaft zugetan. Diese lebenslängliche Verbundenheit zeichnet Weidermann Station für Station nach, bis die Angelegenheit eskaliert. Sein Buch ist eine Reminiszenz an (vergangene) literarisch turbulente Zeiten.

Warum sollte man heute noch klassische Autoren lesen? Eine Antwort darauf kann man bei Rüdiger Safranski nachlesen. In seinem Buch „Klassiker!“ führt er ein Gespräch mit Michael Krüger (Verleger) und Martin Meyer (Publizist) darüber, wie Klassiker sein persönliches Denken, Leben und Lehren beeinflusst haben. Gemeinsam philosophieren sie darüber, was sie dem modernen Menschen heute bedeuten können und warum sie wichtig sind für unsere Gesellschaft. Eine Lektüre nicht (nur) für Literaturprofis, sondern vor allem für den literarisch-philosophisch interessierten Bücherfreund.

Arno Geiger hat sich vor vielen Jahren mit dem Buch „Der alte König in seinem Exil“ dem Thema Demenz literarisch genähert und ein gesellschaftliches Tabu in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt. Seitdem gibt es etliche Nachahmer, die sich dem Thema verschrieben haben. David Wagner ist mit seinem Werk „Der vergessliche Riese“ nun ein weiterer großartiger Beitrag gelungen. Er erzählt, wie die Krankheit seines Vaters die Kinder zusammenrücken ließ und vor allem Sohn und Vater einander wieder nähergebracht hat. Das Besondere an dem Buch ist, dass nicht von einem Anfang zu einem Ende romanhaft erzählt wird, sondern sich Episode an Episode reiht, in denen fast nur gesprochen wird. Diese Dialoge, die sich in Form und Inhalt häufig wiederholen – weil der Vater ja schnell wieder vergisst – lassen den Leser nicht außen vor, sondern ziehen ihn hinein in das Geschehen. Entstanden ist eine berührende Lektüre, die bei aller Traurigkeit der Krankheit zeigt, dass ein positiver, lebensbejahender, fröhlicher Zustand möglich ist. 

Das Brexit-Spektakel: Wenn es nicht so ernst wäre, könnte man sich glatt totlachen. Das hat sich wohl auch der bekannte britische Schriftsteller Ian McEwan gedacht, der gerne aktuelle gesellschaftspolitische Themen in seinen Romanen verarbeitet. In „Maschinen wie ich“ vom Frühjahr 2019 z.B. geht es um künstliche Intelligenz. Erstaunlicherweise ist letzte Woche schon wieder ein Werk frisch aus der Druckerpresse gekommen – da musste wohl was raus aus der Schreibfeder. Die Kakerlake“ ist eine bitterböse Politsatire, Gegenstand des Spottes ist der Brexit. Konstruiert ist die Geschichte äußerst raffiniert: In Umkehrung der Verhältnisse bei Kafkas „Die Verwandlung“, in der Gregor Simsa bekanntlich eines Morgens als Käfer aufwacht, muss bei McEwan eine Kakerlake feststellen, sich über Nacht in einen Menschen verwandelt zu haben – in Gestalt des britischen Premierministers! (Ein Schelm, wer Böses dabei denkt). Und dieser Mensch hat eine Mission… Die handelnden Personen, die Themen, Ereignisse, Dramen und Intrigen haben einen hohen Wiedererkennungswert und bieten einen unendlichen Spaß auf 130 Seiten.

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